Axel Schubert_2_dim. / Michael Kestner_3_dim.

 

Im Foyer Theater Münster vom 20.02. bis 03.04.2022 (Theater Münster, Neubrückerstr. 63, 48143 Münster)

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Schon der Titel der Ausstellung muss enträtselt und gedeutet werden. Dabei verweist er in verknappter Form auf die Medien der beiden Künstler. Der eine arbeitet als Maler, der andere als Plastiker. Es geht also erst einmal um die Ausdehnung im Raum – die zweite und die dritte Dimension. Aber es geht auch um eine formale Reduktion der Formen, mit der sich Mehrdeutigkeiten und assoziative Umdeutungen eröffnen.

In der Zusammenschau seiner Arbeiten erkennt man schnell das von Axel Schubert bevorzugte Zeichenrepertoire: das griechische Kreuz, das mit seinen gleich langen Linien auch als mathematisches Zeichen gelesen werden kann; die Strichreihen, wie wir sie bei einer Abzählkontrolle auf Papier festhalten; Skripturales in Form von leserlich bis unleserlich Geschriebenem, bei dem die Ästhetik im Zweifel gewinnt. Und immer wieder taucht die Eiform auf mit ihrem Verweis auf den Ursprung des Seins. Ist für Andere der Kreis das Symbol der Vollkommenheit, so bevorzugt Schubert das Quadrat als eckiges Pendant und nutzt es als Bildformat, als Bildelement oder kompositorische Struktur. Das schafft Klarheit und Entschlossenheit und unterstreicht bildnerisch Bedeutungen, die nicht mit Worten fassbar sind. All das agiert auf einem Bildgrund, der Malen nicht als Einsatz vieler Farben versteht, sondern als Ausdifferenzierung von Helligkeitswerten. So entfalten die grauen Töne und gebrochenen Farben gerade durch ihren malerischen Auftrag eine subtil-silbrige Folie – vibrierend und durchlässig. Geheimnis und Botschaft.

Michael Kestner zeigt Arbeiten aus drei Werkgruppen, die sich motivisch unterschiedlich mit Eingeschlossensein und Kommunikation beschäftigen. Da sind die Köpfe, die in ihrer Reduktion an Helme erinnern. Die Physiognomie ist verschliffen. Das Individuelle getilgt. Das Ich verbirgt sich in einem Schutzgehäuse. Schmale Schlitze oder Aufbrüche bilden Öffnungen, durch die ein Austausch möglich scheint. Völlig abgekapselt und in sich verschlossen sind dagegen die ‚Hockenden‘ in ihren Raumkonstruktionen, dem Zugriff der Betrachtung hilflos ausgeliefert. Eingewickelt und eingeschnürt warten sie auf den Moment der Erlösung. Die umgebenden Konstruktionen aus Holz, Metall oder Keramik erinnern an Gefängnis- oder Grabsituationen. Hier gibt es nur den inneren Dialog. Wie ein äußerer Dialog des Ichs mit sich selber aussehen kann, zeigen die Gitterkästen mit ihrem verspiegelten Innenteil. Beim Betrachten begegne ich mir und der mich umgebenden Welt. Im gerasterten Sehfeld erscheint die Wirklichkeit fragmentarisiert und flüchtig. Erkenntnis, aber keine Lösung.

Die Malereien Axel Schuberts und die Plastiken Michael Kestners orientieren sich an Strawinskys

Haltung „Je mehr Zwang man sich auferlegt, um so mehr befreit man sich von den Ketten, die den Geist fesseln“. Reduktion als Akt der Befreiung.

Rede von Elke Demter zur Austellungseröffnung 2_3_dim.

 

Hören Sie mich?

Können Sie mich hören?

Verstehen Sie mich?

Kommunikation, meine Damen und Herren, Kommunikation ist eine schwierige Sache.

Dazu können wir alle Geschichten erzählen. Komische und Tragische. Aber – „Man kann nicht nicht kommunizieren“ haben wir von dem österreichischen Philosophen und Psychotherapeuten Paul Watzlawick gelernt. Wir befinden uns in ständigem Austausch und ständiger Interaktion. Das ist Merkmal von Leben.

Haben Sie gerätselt, was dieses ‚2 dim, 3 dim‘ des Ausstellungstitels bedeutet, oder war Ihnen von Anfang an klar, dass das kleingeschriebene ‚dim‘ eine Abkürzung für Dimension ist – der Ausdehnung eines Körpers im Raum.

In dieser Einkürzung und Verrätselung finden wir gleichnishaft einen Zugang zu dem Werk des Malers Axel Schubert. Die verwendeten Bildzeichen erscheinen uns vertraut. Strichreihen, wie wir sie beim Nachhalten eines Zählvorgangs benutzen. wobei das zu Zählende häufig nach der Sieben abbricht. Ein Zeichen, das wir aus der Mathematik, nämlich der Addition, kennen, das Schubert aber weder als Pluszeichen, noch als christliches Kreuz verstanden wissen will. Eiformen verweisen auf den Beginn des Seins. Seine skripturalen Elemente haben jedoch nur in ihrem äußeren Erscheinungsbild – ihrem linearen Verlauf – etwas mit der Transkription von Worten zu tun, sinnhaft gelesen werden können sie in den seltensten Fällen. Was wird in diesen Arbeiten verhandelt, wenn die, an die sich diese Botschaften richten, sie offenkundig nicht oder nur teilweise mit Hilfe ihrer Kenntnis allgemeiner Symbolik deuten können?

„Augen auf, das hilft beim Sehen.“ ist einer der Lieblingssprüche Michael Kestners. Vertrauen wir also unseren Augen.

Was sehen wir?

Viele Bilder hier haben ein quadratisches Format, sie werden getragen von quadratischen Kompositionsstrukturen, bevorzugen unter allen möglichen geometrischen Formen das Quadrat.

Gleiche Seitenlängen bedeuten Ausgewogenheit und Stabilität. Das Quadrat erscheint wie ein männliches Pendant zum Kreis, dem Symbol der Vollkommenheit. Und so erhält auch auf einmal das Durchschneiden einer Waagerechten in ihrem Mittelpunkt durch eine gleich lange Vertikale als reines Bildzeichen eine vergleichbare Bedeutung wie das Quadrat. Mit ihren Abmessungen und in ihrem Verhältnis zueinander gewinnen oder verlieren Strecken und Formen an Kraft. Messen und Zählen sind herausragende Fähigkeiten des Menschen, die ihm helfen einen Zugang zur Welt zu finden und eine Möglichkeit sie zu gestalten. So ist die Sieben, eine Primzahl, eine besondere Zahl, indem sie für uns durch die sieben Wochentage die Zeit gliedert.

All das, was hier mit mathematischen Mitteln verhandelt wird, ist auch Grundlage der Ästhetik. Die Beziehung der bildnerischen Mittel zueinander: Proportion, Kontrast, Differenzierung, Variation. All das verknüpft sich mit Materialität und damit mit sinnlicher Erscheinung und sinnlicher Wahrnehmung, verknüpft sich mit Sehgenuss. Womit wir wieder bei den Augen wären.

Aufmerksame Augen scannen Schuberts Bild, erkennen die Grundfarbigkeit, womit nicht leuchtende Grundfarben gemeint sind, registrieren die subtilen Nuancierungen, tasten die Farbmaterie ab und spüren dem Verlauf des Farbauftrags nach.

Erst mit dem Sicheinlassen auf das Gegenüber beginnt eine fruchtbare, vielfältige Kommunikation, bei der ich nicht nur etwas über den Anderen oder das Andere erfahre, sondern auch immer etwas über mich selbst. Wer Axel Schuberts Bilder mag, mag auch einen japanischen Teeraum, mit der Gliederung durch Tatami-Matten, dem Hang zur Leere, damit das Wenige, das Ausgewählte atmen kann und uns in seiner Einzigartigkeit gegenübertritt. Stärke und Gelassenheit, ja sogar Heiterkeit entsteht durch Reduktion.

Eine Haltung, die uns auch gut durch Corona-Zeiten tragen kann.

Am Ende des Gesprächs mit einem Bild, einer Plastik gibt es kein fassbares Ergebnis, das sich mit der Aussagekraft einer wissenschaftlichen Formel oder einem eindeutig formulierten Satz mit bedeutungsklaren Wörtern vergleichen lässt. Der Begründer der Ästhetik, Alexander Gottlieb Baumgarten, fasste es so zusammen: „Kunst ist sinnliche Erkenntnis.“

Und wer in letzter Zeit zu Edgar Selges Buch „Hast du uns endlich gefunden“ gegriffen hat, findet dort Vergleichbares für die Musik. „Was der Beethoven erzählt, ist dringend. Mein Vater fühlt das. Auch wenn er nie darüber spricht. Diese Musik ist voller Erlebnis, da geht es um was. Nur kann man es nicht in Sprache übertragen.“

Sie müssen nicht verzweifelt versuchen, die bildhaften und bildnerischen Symbole Axel Schuberts in ein logisches System zusammenzubinden. Was sich Ihnen mitteilt, spricht durch die Elemente des Bildes, hat noch keine Worte und ist doch sehr real, da Sie es spüren.

Verstehen Sie mich?

Können Sie mich hören?

Hören Sie mich?

3 dim. Zu der Höhe und der Breite gesellt sich nun die Raumtiefe. Was im Bild mit illusionistischen Mitteln erzeugt werden kann, wird jetzt greifbar und beansprucht seine eigene existentielle Glaubwürdigkeit. Aber folgt dem Greifen auch ein Begreifen?

Bei Kestners Kopfplastiken sind alle physiognomischen Merkmale abgeschliffen worden. Das Individuum hat sich aufgelöst. Was zutage tritt, ist eine plastische Form mit klarer Silhouette und glatter Oberfläche. Die Bögen der Profillinien stehen im Wechselspiel mit den Bögen der körperhaften Wölbungen. 2 dim versus 3 dim

Ohren, Augen, Nase, Mund. Alles, was das Gesicht ausmacht, ist verschwunden und damit auch die Organe zur Kommunikation mit der Außenwelt.

Nicht hören, nicht sehen, nicht reden.

Nicht einmal das Atmen ist möglich. Das Ich ist eingeschlossen. Ein Austausch unmöglich. In dieser Situation bleibt nur der innere Dialog.

H.G.Wells kommentierte das einmal mit englischem Humor „Für ein gutes Selbstgespräch braucht es einen interessanten Partner.“

Wer den nicht findet, muss dafür Sorge tragen, dass die Grenzhülle sich öffnet – egal ob von innen oder von außen. Entweder als organisches Aufbrechen oder als gewalttätiges Aufreißen. Die spezifischen Eigenschaften von Ton, aus dem die Köpfe modelliert wurden, ermöglichen an diesen Stellen interessante formale Lösungen, die vom Schnitt mit einem Messer, über aufgebrochene Kanten bis zum Eindrücken mit Hand und Werkzeug reichen.

In ihrer Form reduziert sind auch die Körper der Hockenden. Das Individuum wird unter Umwicklungen versteckt, um nicht zu sagen – erstickt. Der Körper wird in eine Raumsituation gesetzt, das menschliche Gefängnis gleichsam verdoppelt. Für den Künstler eröffnet sich eine Ebene der Kommunikation zwischen Materialien, Oberflächentexturen und Farben.

Alle hier ausgestellten Plastiken bestehen aus Ton, sind modelliert oder aufgebaut und nach einer Trockenphase gebrannt. Sie erhalten aber nicht nach keramischer Tradition Glasur oder Engobe, Michael Kestner wählt die Bearbeitung mit Acrylfarben und Pinsel, um bei der Farbigkeit eine sofortige Rückmeldung und direkte Steuerung zu haben und um die differenzierte Oberflächenstruktur zu erhalten. So verbindet sich das Plastische mit dem Malerischen. In einem weiteren Schritt wird die Verbindung mit anderen Materialien wie Holz oder Metall gesucht. Die Holz- oder Metallkonstruktionen definieren Raum und Eingeschlossensein in unterschiedlicher Weise, geben aber immer den Blick auf die Figur frei. Ihre Körperhaltung entspricht einer seelischen Haltung – verzweifeltes Bitten, Ergebenheit in das Schicksal. Erlösung?

Wir werden mit Einsamkeit konfrontiert, mit Tod, mit letzten Fragen, auf die sich schwer Antworten finden lassen.

Auf spielerische Weise suchen die formstrengen ‚Spiegelkästen‘ die Kommunikation mit uns, mit unserer Umgebung, mit innen und außen. Sie verstehen sich auf die Kunst der Verknüpfung, der Irritation, der Betonung eines neuen Standpunkts. Hinter der statischen keramischen Gitterstruktur scheinen immer wieder neue Bilder aufzutauchen, sobald sich etwas im Raum verändert. Spannende Raumerlebnisse entstehen, wenn sogar die Innenseite des Keramikkastens Teil des reflektierten Bildes wird.

Nun handelt es sich es sich bei dem Innenteil aber nicht um Spiegel, die ein formenklares Abbild liefern, sondern um Spiegelfolien, die das Abbild eher als Impression auflösen und abstrahieren.

Aus der Distanz kann ich mich für eine objektive Betrachterin halten, komme ich näher, stehe ich mir auf einmal selbst gegenüber. So begegne ich mir beim Betrachten meiner Person und der mich umgebenden Welt. Im gerasterten Sehfeld erscheint die Wirklichkeit fragmentarisiert und flüchtig. Erkenntnis, aber keine Lösung.

Kommunikation, meine Damen und Herren, Kommunikation ist eine schwierige Sache.

Hören Sie mich?

Können Sie mich hören?

Verstehen Sie mich?