Ausstellung Stadt-Land-Fluss-Mensch

Stadt – Land – Fluss … Mensch!

 

Eine Ausstellung von 38 Künstlerinnen und Künstlern des Kunstvereins Kreis Soest e.V.  Freitag, 3.12.2021 – Sonntag, 23.1.2022

Text: Inga Schubert-Hartmann

Früher war die Natur die wichtigste  Inspirationsquelle in der Kunst. Heute nutzen Künstlerinnen und Künstler  Motive und Objekte aus Wald und Flur auch für mahnende Appelle und zur kritischen Selbstreflexion. Diese  Ausstellung will deutlich machen, wie vielfältig der Natur- und  Kulturraum  unserer Lebenswelt geprägt wurde durch einen gemeinsamen kulturellen und landschaftlichen Hintergrund. Mit ihren unterschiedlichen Motiven, Sichtweisen der Wirklichkeit, ihren Empfindungen , Intentionen und Techniken zeigen die Kunstschaffenden  ihre individuellen künstlerischen Zugangswege zu dem komplizierten Geflecht von Natur und Mensch – und last but not least –  auf die große Herausforderung durch die Pandemie.

Heute ist die Natur in der Kunst mehr als ein romantisches Objekt und „Stadt, Land, Fluss“ mehr als ein Kinder – Spiel. Sie ist  – angesichts des Ringens um Nachhaltigkeit – auch ein Wertbegriff geworden, eine  Art Gegenentwurf zu einem durch Technik und Ökonomisierung  geprägten Alltag.

In den über 45 Werken lassen sich verschiedene Aspekte ausmachen:

 

Die Schönheit und Ästhetik in der Natur

    • Anita Weyhe gestaltet in ihrem Bild „Roter Ahorn“ durch eine breite Palette unterschiedlicher Techniken eine ganz spezifische Farbharmonie.
    • Angelika von Tolcacz widmet sich in ihrem Bild der „Stille des Abends“, einer Landschaft, die die Seele baumeln lässt.
    • Das tut auch Maria Drebber mit ihrem Bild „Sommerweizenfeld“. Ihr zweites Bild „Wegrandgestrüpp“ geht ins Detail und hebt gerade das oft nicht Beachtete in der Natur hervor.
    • Susanne Hohaus zeigt Landschaften der Phantasie, die in der Nass-in-Nass-Technik als Aquarelle gemalt wurden.
    • Martina Dörflers „Bretonische Landschaft“ lässt uns die Kraft der Natur spüren und gibt uns Vorfreude auf einen hoffentlich unbeschwerten Urlaub.
    • Auch das Bild „Der Nebel“ von Evelyn Ocón gibt uns einen Einblick in ein durch Farbe gestaltetes Naturphänomen. Ein poetischen Bild!
    • Ebenso zeigt uns Petra Sander-Lammers ihre Vorstellung von Landschaft. Aber schon durch die Verwendung von aufgesetzten Materialien sind der Harmonie Grenzen gesetzt.
    • Barbara Ruppik zeigt die Welt, die wir gewöhnlich nicht In ihrem Bild „Aquatische Landschaft“ aus ihrer Serie „Meer & Mär“ geht es um die Schönheit der Unterwasserwelt, die  – wie wir wissen – auch der Zerstörung ausgesetzt ist. Sie spielt also mit dem Titel ihrer Serie: naturwissenschaftliche Erkenntnisse versus Märchenwelt.
    • Petra Lüning verweist durch ihre vier Bilder mit dem Titel „Das kleine Blau“ auf die durch das Blau symbolisierte Ursehnsucht des Menschen nach Harmonie. „Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte…“, so drückt es der  Dichter Eichendorff aus.
    • Hans Hänisch abstrakte Stadt – Land – Kompositionen zeigen das von Menschen Geschaffene in einem ästhetischen und ökologischen Zusammenspiel mit der Natur.
    • Vera Wundes geht ins Schemenhafte der Menschen. Wie anonym wirken die Gestalten. Ein Spiegelbild unserer Gesellschaft? Doch das Blau zeigt eine Perspektive der Hoffnung auf.
    • Wulf Jürgen Adler hat zwei Bilder in dieser Ausstellung: „Frühling“ und „Herbst“. Er ordnet den Jahreszeiten bestimmte kulturell verankerte Farbnuancen zu und dringt so in unsere Gefühlswelt, weil er Assoziationen auslöst.

 

Ein weiterer Aspekt einer Reihe von Werken nenne ich Sichtweisen, in denen die Veränderungen   und Wandlungen von Natur und Mensch schon inbegriffen sind.

    • Jürgen Lang mit seinen vier zusammenhängenden Bildern unter dem Titel „Metamorphosen einer Landschaft“, die zunächst linear erscheinen, sich aber dann zu einer „Ballung“ der Natur verschmelzen.
    • Ewald Sacher, der mit seiner Farbwahl das farbliche Gesicht der „Börde“ wiedergibt, aber in seiner collageartigen Struktur auch den Ansatz der Zerrissenheit beinhaltet.
    • Gisela Koss-Schnells „Herbstlandschaft“ wirkt auf den ersten Blick wie der Central Park in New York. Bei näherem Hinsehen sind die vermeintlichen Hochhäuser aber bizarre Felsformationen wie man sie in der Sächsischen Schweiz finden kann. Die farbliche Brillanz des Bildes ist sehr beeindruckend.
    • Andreas Schultze spricht in seinen beiden Bildern „Analogität“ und „Digitalität“ von Zukunftsvisonen. Sind die Rabenvögel Boten der Hoffnung wie bei der Arche Noah oder Zeichen des Leids, wie im Mittelalter geglaubt?
    • Markus Frede thematisiert ebenfalls den „Digitalen Wandel“, vielfältig mit kleinen Details gespickt. Packend, aber auch verwirrend. Schemenhafte Gesichter sind zu erkennen. Produziert die digitale Welt auch Gespenster? Lösen sie Ängste aus? Ich fühle mich an den „Erlkönig“ von Goethe erinnert. Die digitale Welt löst ambivalente Gefühle in uns aus.

 

Zerstörung/Bedrohung/Verfall

    • Harald Beckers Bild „Ländliche Idylle“ ist keine Idylle im klassischen Sinne mehr. Technische Dinge, wie Schläuche, durchziehen die Landschaft. Die Kuh nimmt es offensichtlich noch gelassen. Oder verlässt sie die Szene? Vielleicht … Wie bei den Windrädern müssen wir uns stetig nach der Verträglichkeit fragen.
    • Manon von Ikier-Hoppe geht es um das Baumsterben. Auch in der Zerstörung scheint eine Ästhetik zu liegen.
    • Ute Hoeschens Bild „Die verwüstete Stadt“ ist in ihrer Thematik hochaktuell. Naturkatastrophen haben sie zerstört und damit die Existenz vieler Menschen.
    • Federico Schiaffinos kleine Miniaturen unter dem Titel „Domus Pacis“ hat er auf den ausrangierten Duftkärtchen einer Drogerie gemacht. Der oft durch diese Welt deformierte Mensch braucht den Frieden des Herrn.
    • Die Welt – so zeigt es die Stele in Rot von Benno Dalhoff – ist ein „Golgatha“, eine Stätte des Leidens. Das verstehen wir, wenn wir den Stacheldraht in dem Rot   auf Grünsandstein gesetzt erkennen.
    • Manfred Schulz beschäftigt sich in seinen Zeichnungen immer wieder mit den Ungeheuern dieser Welt. Seeschlangen und Riesenkraken verschlingen das Schiff des Lebens, zerstören gierig, was Mensch und Natur an Schönem bieten.

 

Erinnerungen/Die Sehnsucht zurück zur heilen Welt

    • Lucia Jacobs zeigt in ihrem Werk „Reflexionen“ zerborstenes Glas und theamatisiert somit die Fragilität und Gebrochenheit in unserer alltäglichen Welt.
    • Andrina Schulten gibt ihrem Objekt den Titel „Stay at home“. Sie spielt damit natürlich auf die politsichen Proklamationen in der Corona-Zeit an.

Wie sieht aber dieses Home aus? Es ist ein aus kleinen Ästen geflochtener Käfig, in denen Federn Heimeligkeit suggerieren sollen. Aber diese Zuflucht ist geprägt von Enge und Unfreiheit, an Quarantäne, bei der man auch nur aus den Fenstern gucken kann. Bei ihr bleibt alllerdings die Tür des Käfigs offen.

    • Tania Mairitsch-Kortes Bild spiegelt in Motiv und Gestaltung eine wehmütige Tristesse, die Rückschau auf eine verlorene Zeit.
    • Petra Papes Bild ist wie eine Dokumentation des Zeitgeschehens. Sind es News oder Fake News? Der Mensch ist zum Beobachter gesellschaftlichen und politischen Handelns geworden.

Und der Mensch?

Viktoria Plinke und  Anna Schmidt-Griffith bilden Menschen direkt ab.

    • Anna gestaltet ein Portrait ihres Sohnes aus Schnipseln von Seidenstoffen: Fragil und kostbar zugleich.
    • Viktoria Plinkes „Eros 2.0“ symbolisiert den Lebenstrieb, die leidenschaftliche Liebe und den Drang nach schöpferischer und geistiger Tätigkeit des Menschen. Auch in schweren Zeiten bleibt das Streben nach Erfüllung.
    • Dieter Fuchs benennt sein „Diptychon invert“ als „Maler und Modell“.

Ein Bild im Bild, links ein weiblicher Akt, komplett gemalt mit invertierten  Farben, rechts ein Selbstportrait, frei als Computer-Tomografie. Das Verbindungsglied zwischen beiden Teilen, also zwischen gestern und heute, ist die menschliche Hand.

    • Was wäre wenn? fragt Michael Ruppik. Es geht ihm um die Möglichkeiten, neue Wirklichkeiten zu schaffen. Der Mensch im Kampf gegen den Ernst der Zeit. Dazu bedient er sich einer neuen Theorie, also  seiner Phantasie, die es aber gar nicht gibt. Ein wenig wie die Dadaisten. Der Mensch ist  für ihn wie ein kleiner Vogelschiss, aber offenbar nicht ganz ohne Hoffnung, sonst wäre er nicht in Blau gehalten. Sein Begriff „Ptaschissmus“ ist eine Neuschöpfung, abgeleitet vom polnischen Wort ptak = der Vogel.
    • Ingeborg Porsch´ Bild lässt sich als Hommage auf den leidgeprüften Menschen interpretieren. Wie ein Requiem erscheint es. Unsere Zeit als „Tage des Zorns“ – Dies irae – dies illa, wie die alten Mönche sangen.

Objekte und Skulpturen

    • „Wir laufen vor eine Wand“, stellt Gisela Pommerenke fest. Gewalt, fehlende Kommunikation, auch zwischen den Geschlechtern und Überforderung in diesen Zeiten sind Barrieren.
    • Für Gisela Fischedick ist die Welt eine Anhäufung von Formen geworden. Was hält die Elemente noch in der Balance? Zufällig sehe ich in diesen Formen einen modernen Tannenbaum. Andere nicht. Sind es also die Sichtweisen, die wir ausbalancieren müssen, um eine tolerantere Welt zu haben?
    • Oder sind wir „Gipfelstürmer“? Diese Frage wirft Martina Obermeier-Collete auf. Wir wollen hoch hinaus, neugierig auf den Gipfel steigen. Wir fühlen uns majestätisch, sind aber aus Distanz betrachtet klein wie Ameisen und unbedeutend. Ist das Fortschritt? Sie orientiert sich an dem Satz des Philosophen Leibniz: „Wir verfallen dem Rückschritt, wenn wir nicht vorwärts schreiten.“
    • Für Anna Schmidt-Griffith liegen wir auf der „Bahre des Lebens“ und fühlen uns wohl in Mitten des Vertrauten. Aber reicht das fürs Leben? Die Corona-Krise führt auch dazu sich „einzuheimeln“, Kontakte zu verlieren und damit soziales Leben.
    • Fritz Riskens „Lebensbäume“ erinnern an ein Lebensrad im Hinduismus. Zeiten kommen – Zeiten gehen. Schauen Sie sich diese Details an und spüren Sie die Kraft, die dem Werk inne wohnt.
    • Wer sind wir? fragt Heide Drever. Träumer? Auf dem Weg zum Frieden? Aber nicht alleine, sondern in Solidarität mit anderen. Als Pyramide. Aber ein Riss durchzieht uns. Das Duale ist im Menschsein angelegt.
    • Und dann ist da noch der „Grubenhund“ von Klaus Rahmann. Eine Kombination aus Fundstücken auf ehemaligen  Zechengeländen. Der Janus-Kopf blickt vor und zurück. Der Grubenhund ist zum einen der Begriff für die Lore im Bergwerk, zum anderen eine ganz spezielle Zeitungsente. Der Grubenhund ist also der Wächter gegen die Fake news dieser Zeit.

 

Fazit:

Bei aller Vielfältigkeit und Ambivalenz zeichnet diese Ausstellung doch auch eine Perspektive aus, die Hoffnung auf eine bessere Welt.

 

Impressionen aus der Ausstellung